Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Arzt, Islamgegner, seit 2006 in Deutschland – Das wissen wir über den Attentäter von Magdeburg – WELT

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gibt es weiterhin viele offene Fragen. „Wir wissen nicht, was ihn angetrieben hat, außer dass er Deutschland gehasst hat“, sagt Islamwissenschaftlerin Prof. Susanne Schröter. Die Tat sei „in höchstem Maße wirr“.

Ein Mann rast mit einem Leihwagen in eine Menschenmenge auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Mindestens zwei Menschen sterben, darunter ein Kleinkind. Im Netz äußerte sich der Täter zuletzt wirr. Er sah deutsche Polizisten als Treiber des Islamismus und warb für die AfD.

Bei einem Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen, ein Erwachsener und ein Kleinkind. Der Täter rast mit einem Leihwagen in die Menschenmenge. Er wurde festgenommen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von sehr vielen Verletzten, mindestens 60. „Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland“, sagte Haseloff. Die Polizei nannte die Zahl von 15 Schwerstverletzten.

Was wir wissen

  • Der Mann ist nach ersten Erkenntnissen ein 50-jähriger Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Saudi-Arabien. Er wurde 1974 geboren.
  • Die Behörden gehen aktuell von einem Einzeltäter aus.
  • Er kam 2006 nach Deutschland, sein Wohnort ist Bernburg, rund 50 Kilometer südlich von Magdeburg. Nach Informationen von WELT fand in der Nacht ein Polizeieinsatz an seinem Wohnort statt.
  • Nach Informationen von WELT aus Sicherheitskreisen soll der mutmaßliche Täter als Arzt im Maßregelvollzug in Bernburg gearbeitet haben. Der Maßregelvollzug Bernburg ist eine Einrichtung des Landes Sachsen-Anhalt zur Besserung und Sicherung von suchtkranken Straftätern.
  • Er hat eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, denn er wurde 2016 als Flüchtling in Deutschland anerkannt.
  • Der Täter bezeichnete sich 2019 in einem FAZ-Interview selbst als „aggressivsten Kritiker des Islams in der Geschichte“. Er sei Atheist und habe in Deutschland Aysl beantragt, weil er als Ungläubiger und Islamkritiker in seinem Heimatland Verfolgung befürchte. Ähnlich berichteten 2019 BBC und „Spiegel“.
  • Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Verfolgten in Saudi-Arabien einen Weg ins Asyl etwa in Deutschland oder Australien aufzuzeigen.

Was WELT über den Hintergrund des Verdächtigen erfuhr

  • WELT fand in den sozialen Medien Profile von Taleb al-A., auf den alle genannten Informationen zutreffen. Die von ihm erstellten jüngeren Beiträge erscheinen zum Teil wirr. Offenbar fühlte er sich verfolgt.
  • Auf X tritt der Mann als ex-muslimischer Islamkritiker auf. Am Freitagabend hatte er dort mehrere Videos gepostet, in denen er auf Englisch sagt: „Ich mache die deutsche Nation für die Tötung von Sokrates verantwortlich.“ Und: „Ein anderer Grund, warum ich die deutschen Bürger für die Verfolgung verantwortlich mache, die ich in Deutschland erfahre, ist die Geschichte eines gestohlenen USB-Sticks aus meinem Briefkasten.“ Später sagt er in dem Video: „Die Regierung ist kriminell, statt mich zu schützen. Die Polizei sind die Kriminellen. In diesem Fall mache ich die deutsche Nation und die deutschen Bürger dafür verantwortlich.“
  • Im Profiltext des Mannes heißt es auf Englisch: „Deutschland jagt saudische Asylbewerberinnen innerhalb und außerhalb Deutschlands, um ihr Leben zu zerstören“. Und: „Deutschland will Europa islamisieren“. Sein Titelbild zeigt ein Gewehr.
  • Im Juni dieses Jahres hatte der Account auf Deutsch gepostet: „Meiner Erfahrung nach, ist die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland. Meine Erfahrung ist 7 Jahre lang in denen die Polizei, zuletzt im März 2024, schmutzige Taktiken gegen mich sowie andere Islamkritiker angewendet hat, um unseren anti-islamischen Aktivismus zu zerstören. Die Linken sind verrückt. Wir brauchen AfD, um die Polizei vor sich zu schützen.“
  • Eine X-Nutzerin sagte WELT, schon vor Monaten habe sie Beiträge von al-A. bei der Plattform gemeldet; daraufhin seien diese gelöscht worden. In einem Chat mit einem anderen Nutzer war ein möglicher Anschlagsplan des Arabers ein Thema. Zur Polizei sei sie nicht gegangen, sagte sie WELT, allerdings sei es „eindeutig“ gewesen, „dass er sich radikalisiert“. Nun mache sie sich Vorwürfe, nicht gehandelt zu haben.
  • Sie zeigte einen Tweet aus Dezember 2023, in dem al-A. behauptete, der deutsche Staat verfolge saudi-arabische Flüchtlinge, um ihr Leben zu zerstören. Er kündigte Vergeltung an, schrieb: „Ich versichere euch, dass zu 100 Prozent bald die Rache kommt. Auch wenn es mich mein Leben kostet.“ Und weiter: „Deutschland wird den Preis zahlen müssen. Einen riesigen Preis.“ Der Post liest sich wie eine Terror-Ankündigung, wurde danach aber gelöscht. Die X-Nutzerin, mit der WELT sprach, bewahrte ihn auf.
  • Im Mai 2024 postete er auf X auf Englisch: „Ich gehe ernsthaft davon aus, dieses Jahr zu sterben. Begründung: Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen. Und die deutschen Behörden versperren alle friedlichen Wege zur Gerechtigkeit.“ Damals schrieb er auf Arabisch von der „Umsetzung“ einer „Operation“.
  • Im August 2024 postete er auf Arabisch: „Ich versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen. Weil wir alle friedlichen Mittel ausgeschöpft haben, sind uns nur noch mehr Verbrechen seitens der Polizei, des Staatsschutzes, der Staatsanwaltschaft, der Justiz und des Innenministeriums begegnet. Frieden nützt ihnen nichts.“

Was wir nicht wissen

  • Der Name des Täters ist noch nicht offiziell bekannt gegeben worden.
  • Das Motiv des Täters ist noch unklar. Ebenso unbekannt ist sein psychischer Zustand.
  • Die genaue Zahl der Verletzten ist nicht bekannt, die Behörden gehen von mehr als 60 aus. Da einige schwer verletzt wurden, können weitere Tote nicht ausgeschlossen werden.

rct

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